Rezension zu: Mischa Martini: Fischers Mathes und die
Revolution, Trier 2017 (264 Seiten, 10,95 Euro, ISBN 978-3-942 429-94-8)
Trier im Dezember 2017: Die ganze
Stadt bereitet sich auf das Karl-Marx-Jubiläumsjahr vor. Eine Großstatue aus
China wird erwartet. Drei Museen haben Sonderausstellungen vorbereitet. Die Zahl
der zu erwartenden Veranstaltungen ist nicht zu überblicken. Zeit also für den
Autor Mischa Martini, alias Michael Weyand, einen Roman zum 19. Jahrhundert
vorzulegen. Nun ist Martini eigentlich als Verfasser
heimischer Kriminalromane bekannt, im Genre der historischen Romanautoren bewegt er sich
auf Neuland. Und es geht nicht um Marx, sondern um einen Zeitgenossen des großen
Trierers, nämlich Mathias Fischer, als Fischers Maathes bekannt, von Martini
aber als Mäthi in jungen Jahren, später als Mathes bezeichnet. Nun haben Marx
und Fischer einige wenige Gemeinsamkeiten. Beide sind in Trier in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts (Marx 1818, Fischer vier Jahre später) geboren,
beide waren Schüler des damaligen Gymnasiums, heute als FWG bekannt, allerdings hat
nur Marx die Schule mit dem Abitur abgeschlossen, und spätestens nach dem
Weggang von Marx aus Trier trennen sich die Wege, denn Fischers Maathes bleibt
seiner Heimat bis zu seinem Suizid 1879 treu.
Der Roman „Fischers Mathes und die Revolution“ stellt ein Ereignis in den
Blickpunkt, das Marx und Fischer nicht nur im Roman geteilt, aber
unterschiedlich erlebt haben. Martini stellt die Revolution 1848 und 1849 anhand
seines Romanhelden Mathes im beschaulichen Trier dar, in dem zwar auch Unruhen
und Auseinandersetzungen stattfinden, aber auch die dargestellten revolutionären
Abläufe die Dimensionen der Vorgänge in Berlin nicht erreichen, unbeschadet der
Fotomontage auf dem Buchcover. Die preußische Ordnungsmacht vermag nach einem Moment der Überraschung die Ordnung
wieder herzustellen, weder die Bürgerwehr noch die Primanerkompanie, die den
ehemaligen Schüler Mathes ehrenhalber aufgenommen hat, können das Scheitern der
Revolution in Trier verhindern, und der Held Mathes verschläft sogar seinen
Auftritt als Redner bei der Bürgerversammlung. Viel schwieriger erweist sich für
die Trierer Geschäftswelt das Auftreten von Plünderern in der ganzen Stadt,
sodass Mathes mehr beschäftigt ist, das Geschäft seines Vaters zu schützen und
besonders das Kolonialwarengeschäft von Kurt Meckel zu bewachen, dessen Tochter
Kathi er verehrt (und später heiraten wird).
Letztes Ereignis liegt dann bereits außerhalb des im Roman berichteten, denn im
Roman werden in einem kürzeren Überblick Mäthis Jugendjahre 1836/1837 behandelt,
in denen er zunächst das Gymnasium besucht, dieses aber aus finanzieller Not
verlassen muss und eine Lehre im Buchbindergeschäft des Vaters absolviert. Der
Hauptteil des Romans stellt dann Mathes in der Revolution der Jahre 1848 und
1849 dar. Dabei ist das Jahr 1848 gekennzeichnet durch eine kurze stürmische
Revolutionsphase, die aber bald deutlich macht, dass die zeitweilig fehlende
preußische Ordnungsmacht nicht nur die revolutionären Umtriebe des Trierer
Bürgertums, sondern auch Plünderungen der armen Leute aus Stadt und Land
begünstigt. Der Ausbruch der Cholera in Trier 1849 fällt dann in die Phase des
Scheiterns der Revolution in Preußen und im Bundesgebiet und wird in
dramatischer Form im Roman dargestellt. Höhepunkt und Abschluss des Romans ist
dann die verbürgte Aktion von Edgar von Westphalen (Bruder der Marx-Gattin Jenny)
und Fischers Mathes, die von den Revolutionären verfasste Papiere, besonders die
Londoner Korrespondenzen, aus Trier schmuggeln und im Weishauswald vergraben,
um den künftigen Fortgang der Revolution zu ermöglichen. Faktisch tragen beide die Revolution zu Grabe
und damit die Hoffnung auf jene bessere Zeiten, die Mathes mit vielen
Zeitgenossen teilte.
Der Fischers Mathes im Roman ist ein liebenswürdiger Zeitgenosse, der in seiner
Jugend als Gymnasiast auch die „höheren“ Kreise kennenlernt, nach dem Verlassen
der Schule aber mit seiner Lebenssituation hadert, da ihm im Unterschied zu
seinen Klassenkameraden verwehrt ist, außerhalb des heimischen Trier zu
studieren und die Laufbahn des Naturforschers und Entdeckers zu ergreifen. Sein
Schulleiter und frühere Mitschüler verhelfen ihm zur Aufnahme in die
Primanerkompanie, bei Schießübungen gefährdet sich Mathes selbst erheblich, erst
anschließend verhilft ihm der preußische Dienstmann Linsenwöllm zu einer
angemessenen Schuss-Technik. Als dieser Linsenwöllm vermeintlich zu den Opfern
der Cholera zählt, will Mathes an der Beerdigung teilnehmen und bemerkt erst
während des Prozessionszuges, dass ein anderer Dienstmann zu Grabe getragen
wird. Mathes ist einer, der sich vor allem um die ihm anvertrauten kümmert: die
Eltern, Vater und Tochter Meckel, die verbliebenen Freunde wie besagter
Dienstmann, obwohl in preußischen Diensten. Als Mathes unter falscher
Anschuldigung verhaftet wird, sind es wiederum die Schulfreunde aus vergangenen
Tagen, die ihn mit ihren Zeugenaussagen entlasten und die Entlassung aus der
Haft ermöglichen.
Das Buch wird nicht zu Unrecht
beworben mit dem Spruch: „Große Politik, ohne große Worte, aus der Sicht des
kleinen Mannes erzählt.“ Es enthält viele Lokalkolorit der damaligen Zeit, in
der Trier der Ruf als „schlimmster Ort in der Provinz“ nachhing, bleibt immer gut lesbar,
hat einen hohen Unterhaltungswert und bietet Einblicke in die Geschichte Triers, die intensiv
recherchiert sind, wie auch die drei Seiten Literatur und Quellenangaben
belegen. Das mitunter verwandte umgangssprachliche Trierer Platt sollte auch
Unkundige vor keine großen Probleme stellen. Lediglich ein Nachwort, in dem
fiktive und reale Romanteile deutlich unterschieden werden, hätte zumindest auch
den Lesern geholfen, die mit der Trierer Geschichte nicht so bewandert sind.